Montag, 6. Mai 2013

Der Höhepunkt unserer Reise (3800 Meter)




Joa, der Himalaya ist schon ein anderes Kaliber als die Eifel…
Nachdem wir in Indien körperlich etwas abgebaut hatten – Claudius hat mindestens 10 Kg verloren – dachten wir uns, dass so ein Trek durch den Himalaya genau das richtige sei, um wieder etwas fitter zu werden. So sind wir die letzten 10 Tage durch die Anapurnaregion gewandert und es war ein Träumchen!
Die ersten drei Tage ging es direkt im steilen Anstieg bis auf 3000m Höhe in Richtung des Zentrums des Gebirges. Auf dieser Strecke gibt es keine Straßen, man kommt an vielen einfachen Dörfern vorbei und hat einen wunderschönen Ausblick auf die weißen Riesen. Mit unseren Rucksäcken haben wir ordentlich geschwitzt, haben aber jeden Meter genossen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir auf 2700m durch eine Art Regenwald mit dichten, saftigen Bewuchs und vielen kleinen Wasserfällen und Bächen wandern würden. Oder dass wir auf 3100m auf einem Bergkamm durch einen Märchenwald aus blühenden Rhododendren und Bambus laufen würden, wo man nur das Summen der Bienen hört und es von den verschiedensten Arten von Schmetterlingen wimmelt.
Nach dieser Schlaufe ging es westlich an den Anapurnas vorbei durch die längste Schlucht der Welt Richtung Norden. Wir hatten uns allerdings geirrt, als wir nach einem Blick auf unsere Karte dachten, dass sich die Höhenmeter kaum noch verändern und wir relativ gerade Strecke laufen würden. Die Pfade, die wir uns herausgesucht hatten, verliefen zwar parallel zu dem Fluss im Tal, gingen allerdings an den Bergen entlang, d.h. es ging immer auf und ab und zwar steil auf und ab. Über unebene Steintreppen und schmale Bergpfade, vorbei an Ziegenherden und Büffeln, durch Nadelwälder und Hanfwiesen. 
Übernachtet haben wir immer in einfachen Lodges in den Dörfern auf dem Weg. Dort konnten wir auch ein bisschen Tradition miterleben, als eines morgens um kurz nach 6 Uhr im Hinterhof unseres Hotels vor unseren Augen eine Ziege geköpft und zubereitet wurde, weil an diesem Tag im Dorf eine Hochzeit stattfand.
Die letzten Tage wurde die Schlucht immer steiniger und ein für dort typischer heftiger Sturm hat uns das Wandern etwas erschwert. Wir mussten teilweise auf kaum bestehen Pfaden an Bergen entlang krakselsn, während der Wind an uns gezehrt hat und Steine oben vom Abhang und unter unseren Füßen herunter gerollt sind, oder barfuss durch Flüsse waten, weil die „Brücken“ weggespült worden waren.
Es ging hoch bis zu dem Pilgerort Muktinat in der Mustangregion auf 3800m. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns so fit gefühlt, dass wir gerne noch weiter über den 5000er Pass gewandert wären. Wir haben uns dann aber dagegen entschieden, weil wir von anderen Leuten, die uns entgegen kamen, gehört hatten, dass sie sich dort durch 50cm Neuschnee  kämpfen mussten und wir noch nicht einmal wasserfeste Kleidung dabei hatten. Auf dem Rückweg ging  es dann aber wenigsten nochmal bis auf knapp 4000m, wo wir einen atemberaubenden Blick auf die Berge hatten.


Samstag, 20. April 2013

Abschied von Indien und "Oh, wie schön ist Nepal!"



Seitdem die Beatles in den 60er Jahren einige Wochen meditierend und Lieder schreibend in einem Ashram in Rishikesh verbracht haben, ist der Ort für seinen spirituellen Charakter bekannt. Wenn man sieht wie sich der noch unverschmutzte, turkis-klare Ganges sprudelnd durch die von grünen Bergen umgebene Stadt zieht, kann man auch gut verstehen, warum gerade dieser Ort sich besonders gut eignen könnte um zu Ruhe und Besinnung zu finden. Nicht zuletzt deswegen wirkt Rishikesh auch wie ein Magnet für indische und ausländische Touristen, womit ich zur anderen Seite der Medaille komme. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Stadt vor wenigen Jahrzehnten noch Idylle pur war. Aber als wir in Rishikesh angekommen sind wurde ich ein wenig desillusioniert. Die Stadt ist überfüllt mit Touristen, Souveniershops, Hotels, die wie Pilze aus der Erde sprießen und selbst auf der Ostseite des Ganges, die noch bis vor wenigen Jahren verkehrsfrei war, sorgt der Lärm der hupenden Rikshwas, Jeeps und Mopeds für alles andere als eine friedliche Atmosphäre. Sitzt man in einem Cafe, kann man die „esoterischen“ Fachsimpeleien kaum überhören. In Rishikesh ist New Age angesagt. An jeder Ecke werden auf zahlreichen Aushängen die verschiedensten Yoga-, Reiki- und Meditationsausbildungen, sowie Ajurveda, Kristallheilungen, Astrologie, Händelesen etc.  angepriesen, das Angebot ist riesig. Einerseits finde auch ich viele dieser Dinge sehr interessant, andererseits kam ich mir vor wie in einem spirituellen Erlebnispark. Spätestens wenn man dann sieht wie einige Ashrams in einem Zuge Yoga, Meditation, Rafting, Bungy Jumping und luxuriöse Zimmer mit Fernseher und Blick auf den Ganges anbieten, fängt man wirklich an zu zweifeln…
Die ersten drei Tage habe ich von alledem jedoch wenig mitbekommen. Ich hatte schon gedacht, dass ich tatsächlich von dem Fluch der Indienreisenden verschont bleiben würde, habe dann aber doch den Brechdurchfall meines Lebens bekommen und konnte das Bett/Klo für drei Tage nicht verlassen.
Als ich wieder bei Kräften war, haben Claudius und ich öfter lange Spaziergänge aus der Stadt hinaus, flussaufwärts zu einem der verlassenen, weißen Gangesstrände gemacht. Dort haben wir die Natur genossen und im eiskalten Wasser des heiligen und vom Bergquarz glitzernden Flusses gebadet während hinterlistige Affen unsere Bananen geklaut haben.

Um unsere Reise Richtung Nepal fortzusetzen, mussten wir nach einem Zwischenstop in Delhi noch einmal eine 15stündige Zugfahrt zu einer Stadt in der Nähe des Grenzübergangs auf uns nehmen. Nach zwei Stunden fing dann mein Magen wieder an Spierenzchen zu machen, weshalb ich mich regelmäßig durch unser Abteil, in dem mindestens viermal so viele Menschen wie eigentlich vorgesehen eingepfercht waren, zur Toilette durchringen musste. Dementsprechend mitgenommen -  und im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert – war ich als wir endlich Mitten in der Nacht in Gorakphur, dem dreckigsten Loch, dass ich in Indien zu Gesicht bekommen habe, angekommen sind und uns für ein paar Stunden in einem der schmuddeligen Hotels niederlassen konnten. Abenteuer, ja ;)…
Am nächsten Morgen gings dann weiter zur Grenze und nach einem recht unkomplizierten ein- und ausstempeln in einem kleinen Bus in nepalesischem Tempo weiter nach Pokhara.
Und was für ein schönes Erlebnis unser erster Tag in dieser Stadt in Nepal war! Nicht Motorenlärm, sondern verschiedenste Vogelgesänge haben uns aus unserem wohlverdienten Schlaf geweckt. Als wir durch die Straßen geschlendert sind, herrschte kaum Verkehr und es wurde quasi gar nicht gehupt. Zum Frühstück gab es echten Kaffee aus den Bergen. Und dann der Anblick des wunderschönen, klaren Sees. Dahinter in diesiges Blau getünchte Berge. Kein Müll. Keine aufdringlichen Bettler und Verkäufer. Kein Anstarren.

Dieser offensichtliche Unterschied bzw. Vergleich soll Indien jedoch auf keinen Fall in ein schlechtes Licht rücken! Indien ist ein riesiges Land mit einer enormen und zugleich vielfältigen Bevölkerung. Dass es dort viel Müll, viel Lärm, viel Verkehr, verschmutztes Wasser und viele Menschen, die in widrigen Verhältnissen leben müssen gibt, lässt sich nicht bestreiten. Doch wenn man das Land bereist und gleichzeitig bemüht ist es auch jenseits der Oberfläche zu erkunden und zu verstehen, sieht man viel mehr als das. Ich hatte den Eindruck, dass Indien ein Land ist, in dem Vergangenheit und Zukunft aufeinander prallen. Die jahrtausendealte Tradition, daraus resultierende Spiritualtität, aber auch Konservativität auf der einen Seite, Fortschritt, moderne Technik und auch Umweltbemühungen auf
der anderen Seite sind nicht nur faszinierend, sondern einmalig. Indien ist auf dem guten Weg zu einer der bedeutendsten Weltwirtschafts-mächte zu werden. Andererseits habe ich Bekanntschaften mit jungen Männern meinen Alters gemacht, die in einem Wüstendorf aufgewachsen sind, nie eine Schule besucht haben und es kaum erwarten können eine arrangierte Ehe mit einem Mädchen, das sie nur von einem Foto kennen, einzugehen. Auf dem Weg zur hochmodernen und klimatisierten Metro in Delhi begegnet man verdreckten Kleinkindern, die schon mit Nachdruck bettelnd die Hand ausstrecken, bevor sie überhaupt sprechen können. Man wird in Indien kaum händchenhaltende Pärchen oder Frauen mit unbedeckten Beinen oder Schultern begegnen, trotzdem ist es üblich, dass in Zügen Transvestiten durch die Abteile wandern und laut in die Hände klatschen bis sie von den halb belustigt und halb verängstigten indischen Männern 10 Rupien in die Hand gedrückt bekommen – ansonsten fangen sie an sich zu entblößen oder die Männer zu bekrapschen. Aufdringliches bis aggressives Starren und forsches Nachfragen hat sich oft als großes Interesse und Freundlichkeit herausgestellt. Indien ist so anders, so wunderbar und einzigartig. Aber auch wirklich anstrengend. Unsere Reise durch dieses Land hat uns viel mit auf den Weg gegeben.
Jetzt freuen wir uns darauf die letzten Wochen in Nepal zu verbringen. Ich werde langsam wieder gesund, genieße die entspannte Atmosphäre, das gute Essen und die Freundlichkeit und den Humor der Nepalis. Und ich kann es kaum erwarten den Himalaya zu entdecken!


Freitag, 5. April 2013

Holi, die Wüste und das moderne Indien


Für einen kurzen Abstecher gings weiter nach Jodhpur. In der „blauen Stadt“, die so genannt wird weil hier viele der blau gestrichenen Brahmanenhäuser stehen, habe ich es dann zum ersten Mal gewagt meinen Saree zu tragen. „The Saree makes every woman look like a godess“, hat mal ein Inder zu mir gesagt und ich finde auch, dass es auf der ganzen Welt kein schöneres Kleidungsstück für Frauen gibt. Ich war etwas besorgt, dass die Inder es vielleicht nicht schätzen würden, wenn eine Nichtinderin sich in die sechs Meter traditionellen Stoff hüllt, aber meine Befürchtungen waren völlig unbegründet. Die Inder haben es nahezu gefeiert eine Weiße mit indischer Tracht zu sehen. An jeder Ecke lächelten die Leute und riefen mir begeistert „Very nice Saree!“ oder „Indian Culture!“ zu.
Wenn wir mit Bus oder Bahn unterwegs sind oder mit dem Moped in kleine Dörfer fahren, bildet sich nicht selten eine große Menschenmasse um uns. Alle zeigen großes Interesse an der westlichen Kultur, wollen uns die Hand schütteln und stellen viele Fragen. Vor allem in den Städten orientieren sich viele junge Leute an der westlichen Mode. Ich glaube eine Deutsche im Saree zu sehen, hat die Inder so gefreut, weil es ihnen gezeigt hat, dass es auch umgekehrt geht, dass wir ihre Kultur ebenfalls wertschätzen und bewundern.
Unser nächster Halt war die Wüstenstadt Jaisalmer. Das prächtige, sandfarbene Fort in der Mitte der
Stadt erhebt sich hoch über das flache Land und ist schon von weitem zu sehen. Darin befinden sich kleine Gassen und märchenhafte Gebäude. Einen Tag nach unserer Ankunft fand das Holi-Festival statt. Am Vorabend wurde in den Straßen getrommelt, gesungen und große Feuer gezündet. Am nächsten Morgen wurden wir von dem Moment, in dem wir unser Guesthouse verlassen hatten, im Trubel mitgerissen und waren nach wenigen Sekunden genauso farbenprächtig wie alle anderen. Alle zogen durch die Straßen, wünschten sich „Happy Holi!“, rieben sich anschließend buntes Farbpulver ins Gesicht und dann mit einer Umarmung auf den ganzen Körper. Alle, das bedeutet alle Männer. Indische Frauen waren eigentlich nicht zu sehen. Wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund des Konsums von Alkohol und Bhanglassis wurde das Treiben aber immer wilder und viele schienen besonders gerne Holi mit weißen Frauen wie mir zu spielen und die Körperlichkeiten nicht nur bei Umarmungen zu belassen. Es hat zwar insgesamt großen Spaß gemacht, aber nach zwei Stunden hatten wir genug und haben uns lieber wieder in Sicherheit gebracht.
Die folgenden drei Tage haben wir auf einem Kamelrücken schaukelnd in der Thar-Wüste verbracht. Nachts haben wir unter freiem Sternenhimmel und in dicke Decken eingewickelt, umringt von Wüstenmäusen und Mistkäfern, in den Dünen geschlafen.
Nach einem wunderschönen letzten Tag in Jaisalmer, an dem wir u.a. noch ein paar sehr bereichernde Bekanntschaften gemacht und uns die für Rajasthan typischen, sehr harten Lederschuhe erstanden haben, gings mit dem Nachtzug weiter nach Delhi.
Ich hatte eine unheimlich laute und graue Stadt erwartet, was sich aber keinesfalls bestätigen sollte. Delhi ist eine wunderbare und vielfältige Stadt, wie ganz Indien gekennzeichnet von Gegensätzlichkeiten, die miteinander einhergehen. In vielen Teilen ist es deutlich ruhiger und entspannter als in manchen kleinen Städten und alle Menschen, die wir kennen gelernt haben waren sehr freundlich und hilfsbereit. Am besten hat mir die muslimische Siedlung Nizamuddin gefallen. Umringt von großen Verkehrsstraßen, liegt sie wie ein friedliches Dorf im Süden der Stadt. Aus Bäckerein und von Blumenständen am Straßenrand strömten uns viele Düfte entgegen, wir konnten zuschauen wie ein Schaf geschoren wurde und es herrschte allgemein eine entspannte und freundliche Atmosphäre. Die auffälligste Besonderheit war jedoch, dass in fast allen Restaurants Fleischgerichte in großen Töpfen brodelten. Wir haben aber widerstanden und uns für unser Picknick im Park, in dem wie immer Cricket gespielt wurde, mit Zironenkuchen und Erdbeeren zufrieden gegeben.
In Dehli habe ich auch zum ersten Mal bewusst die indische Mittelschicht wahrgenommen bzw. an einem Abend, an dem wir uns erlaubt haben mal ein Bier trinken zu gehen, auch ein paar junge Inder kennengelernt, die in ähnlichen Verhältnissen leben wie wir in Europa. Wenn man das ländliche Indien bereist, wo alle Frauen Sarees tragen, junge Männer berichten nie  eine Schule besucht zu haben und halbnackte Kinder schon bettelnd die Hand heben, bevor sie überhaupt sprechen können, fällt es einem schwer zu glauben, dass Indien sich gerade zu einer Weltmacht entwickelt.  
Junge Collegestudenten und vor allem Studentinnen zu sehen, die sich kaum von uns unterscheiden und sich mit ihnen über ihre Ansichten und Ziele zu unterhalten, war nicht nur interessant, sondern – auch wenn es komisch klingen mag – tat irgendwie auch wirklich gut.  Nach meiner Ansicht ist Indien ein Land, in dem man wirklich beobachten kann wie Vergangenheit und Zukunft aufeinanderstoßen. Und es ist ein Land in dem nichts versteckt wird. Korruption, Müll, Ungerechtigkeiten, aber auch Kunst, Tradition und Fortschritt. Es ist so viel mächtiger als Worte, die es zu beschreiben versuchen.
So denke ich ein wenig schwermütig daran, dass wir Indien bald wieder verlassen werden. Unsere letzten Tage werden wir nun in der selbstdeklarierten Yogahauptstadt Rishikesh am Fuße des Himalaya verbringen, bevor es für die letzten Wochen nach Nepal geht.

Freitag, 22. März 2013

Wenn Götter tanzen...

Im Herzen Rajasthans, umgeben von Wüste und trockenen Hügeln liegt der kleine Ort Pushkar. Die Strahlen der Wüstensonne spiegeln sich auf der klaren Oberfläche des heiligen Sees in der Mitte des Städtchens. Er ist gesäumt von Ghats an denen Pilger Bäder nehmen und Taubenschwärme wie auf Kommando Richtung Himmel fliegen. Jeden Morgen und Abend schallen von hier aus die Pujas (Gebete) mit Trommeln und Gesängen durch den Ort. Hier sind wir nun seit einer Woche.

Nach Varanasi haben wir uns Richtung Westen aufgemacht. Unser erster Halt war Khajuraho. Dort konnten wir alte Kamasutratempel bestaunen, die oft als die schönsten Tempel Indiens bezeichnet werden. Die feinen und sehr sinnlichen Verzierungen haben Claudius dann leider so sehr mitgenommen, dass er anschließend 3 Tage lang mit hohem Fieber und Brechdurchfall im Zimmer lag. Vorher haben wir es allerdings noch geschafft auf die indische Kirmes zu gehen und sogar eine Fahrt auf dem Breakdance – das so aussah als sei es schon gut 30 Jahre alt – riskiert. Aufgrund der vielen aufdringlichen Schlepper und Shopbesitzer haben wir es aber keinen Tag länger in der kleinen Stadt ausgehalten. Sobald es Claudi besser ging, haben wir uns also in den nächsten Bus…und den nächsten…und den nächsten…und den nächsten gequetscht, bis wir nach 15 Stunden knapp 600 km weiter in Bundi waren.
Die kleine Stadt ist genauso, wie man sich Rajasthan vorstellt. Alte blaue und in anderen pastellfarben gestrichene Häuser. Ein riesiges Fort mit Palast auf dem angrenzenden Berg. Mopeds, die mit zig kupfernen Milchkrügen beladen sind. Müllfressende Ziegen und Wildschweine am Straßenrand. Wir haben in einem wunderschönen Haveli, einem weitläufigen, alten Haus mit traditionellen Wandbemalungen und Innenhof gewohnt und kamen uns fast vor wie in 1001 Nacht. Eines meiner Highlights war, als eine Frau uns zu sich auf einen Chai eingeladen hat. Als wir in ihrem Haus saßen – einem kleinen Zimmer für die ganze Familie – hat sie ununterbrochen laut und langsam in Hindi auf mich eingesprochen und wollte nicht wahrhaben, dass ich sie einfach nicht verstehe. Draußen vor der Tür hat sich eine Traube von Kindern und auch ein paar Erwachsenen gebildet, die neugierig und kichernd herein geguckt haben. Ich muss wirklich Hindi lernen! In ein paar Tagen findet hier das Holi-Festival statt. In diesem Rahmen wurde hier in Pushkar bereits vor ein paar Tagen eine Straßenkreuzung abgesperrt und mit Teppich ausgelegt. An einer Seite wurde eine bunt verzierte Bühne errichtet. Etwas Vergleichbares wie das folgende Spektakel habe ich noch nie gesehen. Ein Schrein wurde mit Trommeln und Feuerwerk auf die Bühne geleitet. Anschließend gabs Livemusik von einer Band, die aus einem Keyboard und 5 verschiedenen Trommeln bestand. Der Platz hat sich so sehr gefüllt, dass am Ende bestimmt 10 Menschen auf einem Quadratmeter auf dem Boden saßen. Aus allen Fenstern und von den Dächern haben die Zuschauer gejubelt als die Götter auf die Bühne kamen. Der Affengott Hanuman, der Bananen in die Menge geworfen hat, Shiva mit echter Kobra, die hübsche Pavarti und die tötliche Kali haben ihre Geschichten zu einer Art traditionellem Drum&Base getanzt. Die Kostüme waren so bunt, glitzernd, pompös und die Schminke so farbenfroh und aufwendig, dass die Tänzer und Schauspieler tatsächlich übermenschlich aussahen. Kiloweise frische Blüten wurden wie Konfetti in die Menge geschmissen, bis alle Köpfe und die Bühne bedeckt waren. Ich glaube die ganze Stadt war zu diesem Konzert auf der kleinen Kreuzung versammelt, die Mädchen mit Schleifen im Haar und die Frauen in ihren feinsten Sarees. Es war ein echtes Event. Bunt, farbenfroh, ausgelassen und gleichzeitig spirituell. Einfach göttlich!

Samstag, 9. März 2013

Kumbh Mela und die Heilige Stadt


Kumbh Mela ist das größte religiöse Treffen weltweit. Die Massenbäder finden alle 12 Jahre an verschiedenen Orten in Nordindien statt. Letztes Mal nahmen über 70 Millionen Hindus an dem Festival teil, womit es zur größten Menschenzusammenkunft aller Zeiten wurde. In diesen Wochen ist es wieder soweit. 
Grund genug die lange und beschwerliche Reise in den Norden anzutreten. Von Hampi sind wir in einem Nachtbus nach Hyderabad gefahren. Da dort zwei Tage vorher ein Bombenanschlag war, haben wir uns direkt in die zweite Klasse des nächsten Zugs nach Nagpur gequetscht. Da die Sitze und der Boden besetzt waren, haben wir die zehn folgenden Stunden oben auf den Gepäckablagen gehockt. Nach einer Nacht in einem überteuerten und schäbigen Hotelzimmer in den dreckigen Hintergassen von Nagpur, wo es außer zig Motorradgaragen und stark befahrenen Straßen nicht viel zu sehen gibt, gings für 17 Stunden in dem nächsten Bus nach Allahabad. Irgendwo auf diesem Weg, während dieser Stunden in den Bussen und Zügen, habe ich angefangen Indien und die Menschen hier wirklich zu lieben.
Wir haben – nicht zuletzt aufgrund der körperlichen Nähe, zu der einen diese Art zu reisen zwingt - viele nette Bekanntschaften gemacht. Dass wir nicht die gleiche Sprache sprechen, hat die wenigsten davon abgehalten sich unbeirrt und ausgiebig auf Hindi oder einer der anderen Landessprachen mit uns zu unterhalten J
Am Sangam in Allahabad, wo Ganges und Yamuna sich kreuzen,  sind kilometerweit Zelte, kleine Geschäfte mit allem Nötigen und kleine Restaurants aufgebaut worden. Millionen von Menschen haben dort in den letzten Wochen gelebt um an diesem unvorstellbar riesigen, spirituellen Festival teilzunehmen. Obwohl es eine religiöse Angelegenheit ist, herrscht überall eine lockere, freudige Atmosphäre. Beim spirituellen Bad im Ganges wurde viel gesungen, geplanscht und gespielt. Der Weg zum Ufer führte vorbei an einer Schlange leprakranker Menschen, meist auf dreckigen Holzkarren mit Rädern.
Der nächste Halt war Varanasi, die heiligste Stadt Indiens! Millionen von Pilgern füllen auch hier das Labyrinth schmaler Gassen in der Altstadt. Die Wege sind gesäumt von hohen, alten Steinhäusern. In viele sind Nischen eingelassen, sodass es in den schattigen Gassen an jeder Ecke brutzelt und brodelt. Chai und Lassis werden in Tonkrügen serviert, was als besonders rein gilt, da sie nach einmaligem Benutzen weggeschmissen werden – auf den Boden. Zwischen den Menschen tummeln sich Hunde, Katzen, Kühe, Wasserbüffel und Ziegen. Dementsprechend ist auch der Boden ziemlich zugeschissen, sodass man, wenn man in eine große Menschenmenge gerät und sich nur noch eng aneinander gedrückt durch die Gassen bewegen kann, schnell mal in einen Kuhfladen, Müllhaufen oder in eine Betel-Spuck-Pfütze treten kann. 
Unser Guesthouse ist direkt hinter dem Manikarnika Ghat. Dieses Ghat ist besonders beliebt zur Verbrennung der Toten. 24 Stunden am Tag brennen hier die Feuer. Die Verstorbenen werden in Tücher gewickelt, auf Bambusstangen aufgebahrt und schnellen Schritts zum Ghat eskortiert. Dort kann man beobachten wie genau die richtige Menge Holz berechnet und um dessen Preis gefeilscht wird.  
Von der Dachterrasse aus können wir beobachten, wie die Affen von Dach zu Dach springen, Tauben dressiert werden und kleine Jungs am Nachmittag Papierdrachen von den Flachdächern aus steigen lassen.
Am frühen Morgen, wenn die Sonne aufgeht, schallt der Gesang vom Morgengebet am Ganges durch die sonst so lärmende Stadt und die ersten Menschen beginnen im Fluss ein Bad zu nehmen und dabei in einem ihre Kleidung zu waschen.
Wegen des Kumbh Mela sind viele Sadhus und andere heilige Babas angereist. Sie wohnen in einfachen aus Plastikplanen errichteten Zelten entlang der Ghats. Die Zelte sind mit bunten Decken ausgelegt und haben eine Feuerstelle. Die Sadhus sind nackte, mit Puder eingeriebene Asketen mit langen Dreadlocks. Sie verehren Shiva und verbringen allem Anschein nach den größten Teil ihrer Zeit damit Leute zu segnen und mit Chillums Charas zu rauchen. Dabei sind sie sehr gastfreundlich.
Claudius hat sich seinen Traum verwirklicht und sich eine Tabla gekauft und jeden Tag einige Stunden bei seinem Lehrer verbracht. Ich bin währenddessen durch die Stadt gestreunt, habe Joga gemacht – bei dem allerbesten Meister - oder bei den Babas am Ganges gechillt. 

Dienstag, 26. Februar 2013

Shanti - Shanti und Zerstörung


Don’t worry, be Hampi! Bis vor einem Tag war das der perfekte Slogan für diesen wunderschönen Ort. Hampi ist ein kleines Dorf, gesäumt von einem riesigen Tempelgebiet auf der einen und einem kleinen Fluss auf der anderen Seite. Überquert man den Fluss mit einem kleinen Boot, findet man einen Weg mit Guesthouses, kleinen Shops und Restaurants, umgeben von einer zauberhaften Landschaft – quasi alles was das Backpackerherz begehrt. Überall befinden sich Reis- und Bananenfelder, Kokospalmen und Steinformationen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Die riesigen, runden Steinfelsen liegen kreuz und quer übereinander und bilden eine Art Mondlandschaft direkt hinter den saftig grünen Feldern. Wir haben uns eine kleine Lehmhütte hinter den Reisfeldern, abseits des Weges gemietet und nun eine Woche in diesem Paradies verbracht. 
 Wir haben die Tempel bestaunt und Laxmi, dem Tempelelefanten, beim Baden im Fluss zugeguckt. Wir haben in der Hängematte gelegen und abends den Kröten und Grillen im benachbarten Feld gelauscht oder es uns in einer der kleinen Bars auf einer bunten Matratze gemütlich gemacht und anderen beim Musizieren mit Gitarre, Flöte oder Hang zugehört. Alles in allem war es eine entspannte Woche an einem bezaubernden Ort.



Gestern sind wir zum Sonnenuntergang auf ein paar hohe Felsen geklettert. Die Aussicht war atemberaubend. Von oben konnten wir allerdings auch beobachten, wie immer mehr Polizeiautos vollgeladen mit Polizisten anrollten. Wir dachten zuerst, dass es sich um eine Art Razzia handelt. Als wir später einen der Locals fragten, warum so viele Polizisten vor Ort seien, lachte er mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit und meinte nur: „They come to destroy this place“. Noch an demselben Abend wurden nahezu alle der kleinen Restaurants und Shops und auch einige Guesthouses geräumt. Familien standen mit ihrem wenigen Hab und Gut neben den kleinen Hütten, die noch vor wenigen Stunden ihre Restaurants gewesen waren. Wir haben uns mit einigen Bekannten unterhalten. Keiner wusste wie es weiter gehen soll, wohin und was nun. Heute Morgen sind wir um 7:30 Uhr  von dem Lärm eines Bulldozers geweckt worden, der die benachbarten Lehmhäuser unter Polizeiaufsicht niedergerissen hat. Der Besitzer stand mit Tränen in den Augen am Rand und musste zuschauen, wie seine Existenzgrundlage in den Boden gestampft wurde. Später sind wir die kleine Straße entlang gegangen, die nun an ein Katastrophengebiet erinnert. All die kleinen Läden sind zerstört worden, überall Trümmer und verzweifelte Menschen. 


Bei den Tempelanlagen um Hampi herum handelt es sich um UNESCO Kulturerbe. Einige Wohnhäuser in dem Dorf sind in den letzten Wochen bereits von jetzt auf gleich eingerissen worden, weil sie zu nah an den Tempeln stehen. Die Bewohner können meist keine Entschädigung erwarten. Es wird geredet, dass die Regierung die Tempellandschaft, die zurzeit noch für jeden offen ist, nur für geführte Touren erlauben will. Ein 5-Sterne-Hotel wird bereits in der Gegend gebaut. Hippies und Backpacker mit kleinem Budget sind nicht gern gesehen. Ich weiß nicht inwiefern die Besitzer der kleinen Läden Berechtigungen oder Lizenzen hatten, aber zu sehen, wie sie von einen Tag auf den anderen auf einmal mit nichts dastehen und nichts für sie tun zu können, ist sehr bedrückend.


 Hier ein Link zum weiterlesen: http://www.guardian.co.uk/world/2012/may/27/hampi-india-heritage-temples-eviction



Mittwoch, 20. Februar 2013

Oben in den Westghats


Unsere Reise durch Indien ist wunderschön und faszinierend, aber auch anstrengend und nervenaufreibend. Dass, was wir hier jeden Tag sehen und erleben, lässt sich eigentlich gar nicht in Worte fassen. Was es hier zu lesen gibt ist also leider nur eine schwache und stark verkürzte Zusammenfassung.
Kurze Strecken von z.B. 60 km können mit dem Bus schon mal drei bis vier Stunden dauern. Die Bergstraßen sind sehr schmal, kurvig, ohne Begrenzung von unheimlich tiefen Abhängen gesäumt  und in beide Richtungen befahren. So schlägt das Herz schon mal schneller und es bleibt einem die Luft weg, wenn der Bus in einer Serpentine, gefährlich nah am Abhang, ein anderes Fahrzeug überholt. Aber die indischen Busfahrer scheinen mir schon zu wissen was sie tun. Bisher sind wir auf jeden Fall immer gut angekommen. 
Munnar ist ein kleiner aber trotzdem smoggiger und überlaufener Ort in den Westghats. Obwohl es zuerst so schien, dass wir überhaupt keine annehmbare Unterkunft finden würden, haben wir dann doch Glück gehabt und sind bei einer Familie untergekommen, die in einem kleinen, idyllischen Häuschen mitten in den Teeplantagen um die Stadt herum lebt und dort zwei Zimmer günstig vermietet. In dem anderen Zimmer hat eine Gruppe Israelis gewohnt, mit denen wir uns angefreundet haben. Die haben uns auch von einer Trekkingroute zu einem kleinen Ort in den Bergen erzählt, den man noch nicht einmal auf einer Landkarte findet.
Nachdem wir herausgefunden hatten, dass das Trekking von Kerala nach Tamil Nadu nicht erlaubt ist (in die andere Richtung aber schon), haben wir uns entschlossen zumindest einen Teil der Route einfach auf eigene Faust zurück zu legen. So sind wir morgens früh samt Gepäck mit einem Bus zu der Bergspitze gefahren und von dort aus 15km durch die Berglandschaft abwärts gewandert. Der Weg war ein bisschen holprig und wir haben ihn noch Tage danach in den Beinen gespürt, aber die Aussicht war fantastisch! Von dem klitzekleinen Dorf, in dem wir angekommen sind, wollten wir dann einen Bus zu unserem Zielort nehmen. An jedem lauten von Menschen und Bussen überfüllten Busbahnhof, an dem wir angekommen sind, wurden wir aber nur in einen neuen Bus gesetzt und mussten so insgesamt noch fünf Stunden in vier verschiedenen holprigen Bussen verbringen bis wir fix und fertig von den Strapazen und dem Lärm in Kodaikanal angekommen sind. Dort und in Vattakanal, den von den Israelis empfohlenen Ort, konnten wir uns dann aber wieder ein paar Tage erholen. In Vatta sind wir am ersten Tag mit ein paar anderen zu einer Klippe gelaufen.  Ich bin noch nie an einem vergleichbaren Ort gewesen! Am Ende der Klippe ging es unendlich Tief und so steil bergab, dass man die darunter liegende Felswand nicht einmal sehen konnte. Man konnte hunderte von Kilometern in die Ferne über die Berge und das dahinter liegende Tal und von oben auf die Wolken blicken. Im nächsten Moment zogen die Wolken nach oben an uns vorbei, sodass wir in ein deckendes Weiß eingehüllt waren und es so aussah, als befände sich der Boden unter unseren Füßen mitten im Nichts.
Auf 2300 Metern war es auch tatsächlich recht kühl, aber für umgerechnet 1,50 Euro konnten wir uns warme Wollpullis kaufen und in unserem Zimmer gab es einen offenen Kamin, in dem wir uns abends ein schönes Feuer machen konnten.
Weil wir dann aber doch die Sonne vermisst haben, sind wir nach einigen Tagen nach Mysore aufgebrochen. Wir hatten einen Nachtbus von  einem Ort am Fuß der Berge aus reserviert und mussten dorthin mit einem normalen Bus fahren.  Der besagte Busbahnhof war riesig und laut von dem ständigen Hupen. Ein penetranter Uringeruch lag in der Luft. Am Rand gab es tausende kleine Shops die alles von Plastikspielzeug über Billigschmuck bis frittierte Snacks verkauft haben. Überall schliefen spindeldürre Menschen auf dem dreckigen Steinboden. Wir mussten vier Stunden auf unseren Nachtbus warten und wurden immer unruhiger, weil niemand uns sagen konnte wo unser Bus abfuhr bzw. auch die Leute in dem Ticketbüro kein Englisch sprachen und unser Ticket nicht erkannten.
Als wir gerade in den falschen Bus eingesteigen wollten, erschien der Mann aus dem Ticketbüro aus Kodaikanal, wo wir das Ticket gekauft hatten. Er war uns mit dem dem Moped drei Stunden im Dunkeln auf den gefährlichen Straßen hinterher gefahren, weil wir aufgrund eines Kommunikationsproblems nur die Quittung, nicht aber die Tickets mitgenommen hatten…

 Mysore ist eine große, aber für indische Verhältnisse relativ entspannte Stadt. In dem alten Bazar werden selbstgemachte Räucherstäbchen, duftende Öle, farbenfrohe Kleidung,  unendlich viele Früchte und riesige Körbe mit Massen von Blumen angeboten. Ich hab noch nie so viele Bananen oder so viele Blumen auf einmal gesehen. Ich habe mir angewöhnt wie die Inderinnen morgens eine Kette aus Jasminblumen zu kaufen und mir in die Haare zu stecken. Ein Inder hat mir erzählt, dass die Inderinnen dies tun, weil der Jasminduft beruhigend wirkt und sie ein schweres Leben haben. Über 90 Prozent der Ehen in Indien sind arrangiert. Die Mädchen werden mit 17 oder 18 Jahren verheiratet, bekommen dann Kinder und müssen unter Aufsicht und Anweisungen der Schwiegermutter für den Haushalt der Familie des Ehemannes sorgen.
Claudius und ich werden auch häufig von neugierigen Indern gefragt, ob wir verheiratet sind. Der Einfachheit halber sagen wir meistens ja. Wenn wir dann auf eine weitere Frage antworten müssen, dass wir keine Kinder haben, werden wir oft mitleidig angeguckt oder auf die Schulter getätschelt J. Dann wollen die Inder meist noch ein Foto.
Abgesehen von solchen netten Begegnungen haben wir leider das Gefühl, dass viele Einheimische in Mysore stark darauf aus sind uns in irgendwelche Hintergassen zu locken bzw. erst vorgeben sich anfreunden zu wollen und später Geld verlangen.

 Ansonsten mit Schulkindern vollgestopfte Rikshwas, schmale Gassen mit niedrigen Häusern, Hühnern und Schafen, angemalte Ziegen und Kühe, eine Moschee, christliche Kirche und Hindutempel innerhalb von 100 Metern,  Menschen die Müllberge mit bloßen Händen in einen Lastwagen laden… viel Verkehr, viele Menschen, viel Essen, viele Farben, viele Gerüche,  viele Läden, viel Leben auf den Straßen.

Freitag, 8. Februar 2013

Strand, Gewürze und Fledermäuse

Unsere Haut ist braun, unsere Beine zerkratzt und mit Mosquitostichen übersäht, wir haben uns an die täglichen Stromausfälle und daran, dass morgens und abends ein scharfer Rauch in der Luft liegt, weil der Müll verbrannt wird, gewöhnt.  Wir haben gelernt, dass es eigentlich so etwas wie ein indisches Curry gar nicht gibt. Curry leitet sich von dem tamilischen Wort für Soße (Kari) ab und ist ein Begriff unter dem die Briten die große Vielzahl an Masala (dt. Gewürz) Gerichten zusammengefasst haben. Wir stören uns auch nicht mehr daran, dass die Teller, von denen wir diese Gerichte an Straßenständen essen - mit der Hand natürlich- , nur kurz unter aus einer Tonne geschöpftem Wasser,  abgespült werden.

In den letzten Wochen haben wir uns quasi von Strand zu Strand Richtung Süden gehangelt. In Südgoa  haben wir in hübschen Bambushütten unter Kokospalmen mit Veranda mit Meerblick gewohnt. Wir haben das Meer genossen, waren mit  einem Kayak paddeln und sind mit dem Moped ins Blaue gefahren und dabei auf Tempel, wunderschöne tropische Landschaften und wirklich verlassene Strände gestoßen. Nach einer langen, aber entspannten Fahrt auf den schmalen Straßen eines Nationalparks sind wir mit einem englisch-portugiesischem Pärchen, das wir unterwegs kennen gelernt haben, ca. 45 Minuten durch den Jungle gekrakselt, um in dem kalten Wasser des Beckens eines Wasserfalls zu baden.
Je weiter es Richtung Süden ging, desto 
entspannter, ruhiger und einfacher wurde es an den Stränden. Unser letzter Halt war Om-Beach bei Gokarna, einer kleinen Pilgerstadt südlich von Goa. Wir hatten gehört, dass es dort so sein sollte wie in Goa vor 10-20 Jahren. Ob dies stimmt, kann ich nicht beurteilen, aber Om-Beach war ein Träumchen!  Ein hübscher etwas abgelegener Strand mit wenigen einfachen Bars, hinter denen sich zwischen tropischen Gewächsen einfachste Hütten befinden. Unsere hatte z.B. keinen Boden, sondern stand einfach auf dem Sand. Sie bestand aus ein Holzbrett mit vier Beinen, bedeckt mit einer dünnen, steinharten Matratze (Bett) und einem Dach aus Palmenblättern. So einfach wie unser Schlafplatz ist auch das Leben am Om-Beach. Man lernt schnell Gleichgesinnte kennen, verbringt die Tage entspannt in einer Hängematte, abends werden  Jamsessions gestartet  oder ein Lagerfeuer am Strand gemacht. Beim Einschlafen hört man nur das Rauschen der Wellen und das Zirpen der Grillen.

An einem Tag haben wir uns aus der Gemütlichkeit, in die einen dieser Strand versetzt, gerissen und uns auf den Weg zu dem Dorf Gokarna gemacht. Leider haben wir dabei nicht den richtigen Weg gefunden, sondern sind einem schmalen Pfad entlang der Klippen gefolgt. Weil wir immer dachten, bald da zu sein, haben wir uns dabei durchs Gebüsch geschlagen und sind an Felswänden entlang geklettert. So hatten wir anstatt 20 Minuten gemütlichen Fußweg ca. 2 Stunden Abenteuertour  hinter uns als wir überhitzt und fast verdurstet – und Claudius mit komplett zerrissener Hose -   in Gokarna angekommen sind. Für Claudius war der Ausflug aber trotzdem ein Erfolg, weil er sich eine Trommel erstanden hat, auf der er jetzt schon mal fürs Tablaspielen üben kann... und dies auch seit dem ständig tut.
Vor ein paar Tagen haben wir uns mit dem Entschluss uns Indien jetzt auch jenseits der Strände anzusehen losgerissen – wir hätten ohne weiteres noch Wochen glücklich an Om-beach verbringen können-  und haben einen Nachtzug nach Cochin in Kerala genommen. Die schmuddeligen Pritschen im Sleeper waren verdammt hart, das Abteil voll und die Nacht lang, aber dafür im Vergleich zum Nachtbus mit weniger Todesängsten verbunden, da Züge ja bekanntlich auf Gleisen und nicht im halsbrecherischen Straßenverkehr fahren J.  
Völlig übernächtigt in Cochin angekommen haben wir zum ersten Mal wieder Wolken am Himmel gesehen. Darunter eine kaum erträgliche schwüle Hitze. Abends hat es dann auch für uns das erste Mal geregnet und gewittert, was uns aber wie eine riesige Erleichterung vorkam.

Wir sind durch die Straßen und Gassen gestreunt, haben den Gestank offener, am Bordstein verlaufender Abwasserleitungen eingeatmet, Fischer mit riesigen chinesischen Netzkonstruktionen beobachtet, sind mit der Fähre gefahren und waren stolz, weil wir die lokalen und billigen Restaurants abseits des Touriviertels gefunden haben. Abends konnten wir beobachten wie ein riesiger Schwarm Fledermäuse über unseren Köpfen über einen genauso riesigen Schwarm Mosquitos hergefallen ist.

Heute haben wir einen Bootsausflug in die Backwaters gemacht und dabei in kleinen Dörfchen gesehen, wie man aus Kokosnüssen Seile macht und wie die verschiedenen Gewürze angebaut werden. Ich wusste garnicht, dass Zimt Baumrinde ist! Habe ihn heute ganz frische probiert, genau wie Pfeffer, Lorbeer, Nelke und Muskatnuss und –blüte.


Ich könnte noch so viel schreiben, aber jetzt ists mal genug. Morgen werden wir wahrscheinlich der Hitze entfliehen und in die Westghats zu unserer nächsten Station, der Hillstation Munnar, fahren.

Freitag, 25. Januar 2013

Goa


Uns geht es so richtig gut! Um den Stress der letzten Wochen und Monate auszukurieren sind wir wie gesagt erst einmal Richtung Goa gefahren. Dort war unser erster Halt Anjurna, einer der berüchtigten Hippiestrände im Norden Goas. Dafür dass wir gehört hatten, dass es dort inzwischen sehr  touristisch zugehen soll, waren wir auf jeden Fall positiv überrascht.  Es waren zwar schon einige Touristen dort, dabei handelte es sich aber um eine nette Mischung aus jungen Backpackern wie uns, Althippies und Indern. Auch wenn hier inzwischen sicherlich alles viel bekannter und kommerzieller ist als vor 40 Jahren, so ist es doch nicht überfüllt und man spürt doch noch die Hippieatmosphäre, wenn man in einer der bunt beleuchteten Strandbars auf einem gemütlichen Kissen sitzt und einen Fruchtshake schlürft. 
Der Strand ist gesäumt von Palmen, dahinter befindet sich ein schmaler Pfad aus roter Erde mit einigen Ständen an denen farbenfrohe Tücher und Kleidung angeboten werden. Schlendert man diesen Pfad oder den Strand entlang, trifft man auch nicht selten auf kleine Kuhherden. Ich befinde mich in einem gewissen Zwiespalt, weil ich die friedlichen Vierbeiner einerseits gerne streicheln würde, andererseits aber auch großen Respekt vor ihren spitzen, langen Hörnern habe.


Nach zwei entspannten Tagen am Strand sind wir auf die Idee gekommen uns einen Roller auszuleihen um uns die Umgebung ein bisschen genauer anzuschauen.  Unser erstes Ziel war Panaji, die Hauptstadt Goas, von der wir viel Gutes gehört haben. Ich war am Anfang etwas zaghaft mit dem Roller, Claudius hinten drauf, Linksverkehr und die indische Fahrweise. Zum Glück herrscht hier in Goa jedoch recht wenig Verkehr und schnell haben wir auch die Hupzeichen verstanden: einmal kurz – Achtung, ich komme; zweimal kurz - ich überhole; mehrmals kurz – mach Platz; einmal lang – mach schnell Platz! J. Wir sind als freudig losgefahren und fühlten uns schon wie die Könige der Welt, als wir kurz vor Panaji von der Polizei heraus gewunken wurden. Sie wollten nur unsere Führerscheine sehen, leider hat jedoch keiner von uns einen internationalen Führerschein oder wenigstens den europäischen dabei… naja, Claudius hat sich dann zurück gehalten - da er ca. 5 Mal am Tag gefragt wird, ob er Drogen jeglicher Art kaufen will, dachten wir uns, dass seine Frisur wohl zu einigen Vorurteilen führt - und ich hab als braves Mädchen mit feuchten Augen mit dem Polizist verhandelt. Leider mussten wir dann doch ne saftige Strafe zahlen (ca. 18 Euro), durften aber weiter. Wir haben dann aber direkt kehrt gemacht um uns lieber die Küstenregion anzuschauen, wo keine Polizeikontrollen zu erwarten sind. Damit war das Abenteuer aber keineswegs vorbei! Als Ziel hatten wir uns einen im Norden gelegenen Hippiestrand vorgenommen. Der Weg dahin war bezaubernd! Serpentinen durch den Jungle, bergauf, bergab, vorbei an alten wunderschönen portugiesischen Häusern, denen man den Einfluss der Natur der letzten Jahrzehnte ansieht, wodurch sie aber nur an Charme gewinnen. Und überall auf der Straße Street Bumps, die von einem zu übermütigen Tempo abhalten sollen und dies auch tun. Schon wenn man mit ca. 20 km/h über eine dieser steilen Bodenwellen fährt, hebt man einen gefühlten Meter ab. Nachdem wir uns am Strand von der holprigen Fahrt erholt hatten, wollten wir uns gemütlich auf den Rückweg machen. Irgendwann sind wir dann an einer Stelle angekommen, wo die Straße zu Ende war. Vorher schon kam uns alles ein bisschen anders vor, wir sind an vielen einheimischen Dörfchen im Jungle vorbei gekommen, an die wir uns nicht erinnern konnten. Wie sich rausstellen sollte sind wir genau in die falsche Richtung gefahren. Das wäre weiter kein Problem gewesen, wenn es nicht schon kurz vor Sonnenuntergang gewesen wäre. Die Straßen sind nämlich nicht oder kaum beleuchtet und nicht nur LKW, die sich hier auch gerne mal in Kurven überholen, sondern auch die schwarzen Kühe, die man im Dunkeln quasi nicht sieht, haben uns etwas beunruhigt. Der Rückweg war also ziemlich aufregend, wir habens aber dann doch noch geschafftJ.

Am Abend sind wir dann durch Zufall auf eine Goaparty gestoßen. Wir sind am Strand spazieren gegangen und haben in der Ferne gesehen, wie jemand eine Feuershow gemacht hat. Dort angekommen fanden wir es zwar ganz cool mal da zu sein, jedoch doch eher ernüchternd. Viele besoffene „Hippies“, bei denen das Hippiesein sich meiner Meinung nach vor allem auf das Tragen zerfetzter oder leuchtende Kleidung beschränkt, extrem laute, eintönige Elektromusik und dazwischen bettelnde Kinder.
Wenige Tage später sind wir dann nach Panaji gefahren. Auf dem Weg dahin haben wir einen kleinen  Abstecher zu dem schönen einheimischen Markt in Mapusa gemacht, wo wir einen riesen Spaß hatten uns so lange rumzufragen, bis wir alle Zutaten für eine Dhoop-Zubereitung (Weihrauch) hatten. Dazu gehört eine Messingschale mit Griff, Kohle, die wir letztendlich von einem Nussverkäufer geschenkt bekommen haben und das Dhooppulver. Das ganze wird bei Abenddämmerung angezündet um böse Geister und vor allem Mosquitos zu vertreiben.
In Panaji haben wir einen Tag verbracht und uns dann auf den Weg nach Südgoa gemacht. Gefahren sind wir mit den öffentlichen, überfüllten und klapprigen Bussen, was bei offenem Fenstern aber sehr erträglich ist und quasi nichts kostet. Für die ca. zweistündige Fahrt durch die mit Palmen und anderen tropischen Pflanzen bewachsenen Berge nach Pandolem haben wir z. B. nur 50 Cent bezahlt. Und jetzt sind wir angekommen. Angekommen im Paradies. Ich sitze gerade auf der Veranda unserer kleinen Hütte direkt am Meer. Wir kriegen das Grinsen nicht aus den Gesichtern und können selbst gar nicht glauben wie schön es hier ist! Aber dazu ein andermal mehr. 

Samstag, 19. Januar 2013

Welcome to India!

Als wir einen Tag vor unserem  Abflug Richtung Eifel aufgebrochen sind, wo unser Bus uns wegen des Schnees noch nicht einmal bis zu der vorgesehenen Haltestelle bringen konnte, hatte ich schon ein etwas ungutes Gefühl… was wenn am nächsten Tag die Straßen oder sogar die Start- und Landebahnen am Flughafen vereist wären?! Komplikationen bei der Abreise bin ich ja schließlich schon gewöhnt. Als wir dann aber pünktlich zwei Stunden vor Abflug am Frankfurter Flughafen eintrafen, war ich unheimlich erleichtert, dass alles gut gelaufen war. Bis ich einchecken wollte. Anscheinend hatte STA-Travel einen Fehler gemacht, sodass mein Ticket keine Ausreise erlaubte. Nach 1 ½  Stunden sinnlosen Telefonaten, panischem zwischen Schaltern Hin- und Herlaufen und angespanntem Warten durfte es dann aber auch für mich losgehen (Ein Hoch auf die Superviserin von Oman Air)!

Bei der Landung wunderten wir uns, dass der Flughafen Mumbai tatsächlich Mitten in der Stadt ist. Direkt (!) neben der Landebahn befinden sich Wohnhäuser, wenn man denn von Häusern reden kann, auf jeden Fall wird dort gewohnt. Noch im Flugzeug stieß uns ein ganz spezieller Geruch –eine Mischung aus Abgasen, Abwässern und allgemeiner Muffigkeit - in die Nase. War das der Grund warum die Stewardess uns kurz vor der Landung mit einer Flasche Raumspray beinahe erstickt hatte? „Welcome to India! Everyone is in a rush.“, sagte der nette Inder, der im Flugzeug neben mir gesessen hatte, bevor er wie alle anderen aufsprang und zur Tür des Flugzeugs drängelte,  als sei diese nur für wenige Sekunden geöffnet.

Um ca. 6 Uhr morgens befanden wir uns in einem der klapprigen gelb-schwarzen Taxis auf dem Weg zum südlichsten Zipfel der Halbinsel, dem Stadtteil Colabra. Unsere 45minütige Fahrt führte uns vorbei an Dharavi, dem größten Slum Asiens, Tempeln, Hochhäusern,  vielen eindrucksvollen, palastähnlichen Gebäuden der Kolonialzeit und war auch schon allein durch das Mittendrinsein im indischen Verkehrsgeschehen, wo weder rote Ampeln, noch Fahrtrichtungen, Sicherheitsabstände oder jegliche Verkehrsregeln Beachtung finden, ein wunderbares Abenteuer. Auf der Suche nach einem einigermaßen günstigen Guesthouse – Mumbai gilt als hippe Mode- und Bollywoodstadt und ist daher verhältnismäßig teuer - konnten wir beobachten wie die Stadt an diesem diesigen Morgen zum Leben erwachte. Die ersten Menschen auf den Bürgersteigen räkelten sich unter ihren Decken hervor, der Verkehr und das ständige Hupen der Autos nahm zu, einige Straßenstände wurden aufgebaut und ein Hindu-Priester segnete mich mit einem roten Punkt auf der Stirn. Nach zwei Stunden hatte ich mir dann meine erste Blase gelaufen und kurz danach haben wir auch India Guest House gefunden, dessen Zimmer durch spartanische Einrichtung, klapprige Ventilatoren und dünne Trennwände, die nicht ganz bis zur Decke reichen, beeindruckenJ.

Der Wirbel von Mumbai hat uns förmlich aufgesogen. Frauen in farbenprächtigen Saris. An jeder Ecke Händler die einem alles Erdenkliche anbieten und im Gegensatz zu dem, was wir gehört haben, durch ein freundliches aber bestimmtes, „No, thank you!“ auch sofort wieder loszuwerden sind. Tausend Gerüche von Essen, Jasmin und Räucherstäbchen. Frische Kokosnuss zum Trinken und Auslöffeln. In den Restaurants müssen wir immer auf gut Glück bestellen, aber wir kennen jetzt schon einige Leckereien – und einige komische Dinge. An dieser Stelle muss ich hinzufügen, dass Claudius bezüglich des Essens  wesentlich mutiger als ich und auch sonst die Gelassenheit in Person ist. Bunt-leuchtende Pferdekutschen im Dunkeln. Das Angebot als Statisten für 500 Rupien am Tag in einem Bollywoodfilm mitzuspielen. Ich habe meine Spiegelreflexkamera verloren und zurück bekommen. Eine Bootsfahrt zu Elephanta, einer Insel mit alten kunstvollen Hindu-Höhlen und freilaufenden Affen. Eine Kuh, die (erfolgreich) einen Mann bedroht um dessen Maiskolben zu ergattern. Züge, die mit offenen Türen fahren. Die von alten, tropischen Bäumen gesäumten Straßen von Colabra. Und vieles, vieles mehr… Obwohl wir nur drei Tage in Mumbai waren, kam es uns vor wie mindestens eine Woche. Letzte Nacht sind wir dann mit einem holprigen und bedenklich lauten Schlafbus nach Anjuna in Goa gefahren, wo wir gerade in einer Strandbar sitzen und aufs Meer blicken.


 Eine typische Gasse Mumbais.















Mahalaxmi Dhobi Ghat:
In Mumbai werden keine Waschmaschinen benutzt. Wer seine Wäsche in eine Wäscherei gibt, kann davon ausgehen, dass sie hier von einem der über 1000 Mitarbeiter von Hand gewaschen wird.






Claudius in unserem Sleeper-Abteil.