Mittwoch, 20. Februar 2013

Oben in den Westghats


Unsere Reise durch Indien ist wunderschön und faszinierend, aber auch anstrengend und nervenaufreibend. Dass, was wir hier jeden Tag sehen und erleben, lässt sich eigentlich gar nicht in Worte fassen. Was es hier zu lesen gibt ist also leider nur eine schwache und stark verkürzte Zusammenfassung.
Kurze Strecken von z.B. 60 km können mit dem Bus schon mal drei bis vier Stunden dauern. Die Bergstraßen sind sehr schmal, kurvig, ohne Begrenzung von unheimlich tiefen Abhängen gesäumt  und in beide Richtungen befahren. So schlägt das Herz schon mal schneller und es bleibt einem die Luft weg, wenn der Bus in einer Serpentine, gefährlich nah am Abhang, ein anderes Fahrzeug überholt. Aber die indischen Busfahrer scheinen mir schon zu wissen was sie tun. Bisher sind wir auf jeden Fall immer gut angekommen. 
Munnar ist ein kleiner aber trotzdem smoggiger und überlaufener Ort in den Westghats. Obwohl es zuerst so schien, dass wir überhaupt keine annehmbare Unterkunft finden würden, haben wir dann doch Glück gehabt und sind bei einer Familie untergekommen, die in einem kleinen, idyllischen Häuschen mitten in den Teeplantagen um die Stadt herum lebt und dort zwei Zimmer günstig vermietet. In dem anderen Zimmer hat eine Gruppe Israelis gewohnt, mit denen wir uns angefreundet haben. Die haben uns auch von einer Trekkingroute zu einem kleinen Ort in den Bergen erzählt, den man noch nicht einmal auf einer Landkarte findet.
Nachdem wir herausgefunden hatten, dass das Trekking von Kerala nach Tamil Nadu nicht erlaubt ist (in die andere Richtung aber schon), haben wir uns entschlossen zumindest einen Teil der Route einfach auf eigene Faust zurück zu legen. So sind wir morgens früh samt Gepäck mit einem Bus zu der Bergspitze gefahren und von dort aus 15km durch die Berglandschaft abwärts gewandert. Der Weg war ein bisschen holprig und wir haben ihn noch Tage danach in den Beinen gespürt, aber die Aussicht war fantastisch! Von dem klitzekleinen Dorf, in dem wir angekommen sind, wollten wir dann einen Bus zu unserem Zielort nehmen. An jedem lauten von Menschen und Bussen überfüllten Busbahnhof, an dem wir angekommen sind, wurden wir aber nur in einen neuen Bus gesetzt und mussten so insgesamt noch fünf Stunden in vier verschiedenen holprigen Bussen verbringen bis wir fix und fertig von den Strapazen und dem Lärm in Kodaikanal angekommen sind. Dort und in Vattakanal, den von den Israelis empfohlenen Ort, konnten wir uns dann aber wieder ein paar Tage erholen. In Vatta sind wir am ersten Tag mit ein paar anderen zu einer Klippe gelaufen.  Ich bin noch nie an einem vergleichbaren Ort gewesen! Am Ende der Klippe ging es unendlich Tief und so steil bergab, dass man die darunter liegende Felswand nicht einmal sehen konnte. Man konnte hunderte von Kilometern in die Ferne über die Berge und das dahinter liegende Tal und von oben auf die Wolken blicken. Im nächsten Moment zogen die Wolken nach oben an uns vorbei, sodass wir in ein deckendes Weiß eingehüllt waren und es so aussah, als befände sich der Boden unter unseren Füßen mitten im Nichts.
Auf 2300 Metern war es auch tatsächlich recht kühl, aber für umgerechnet 1,50 Euro konnten wir uns warme Wollpullis kaufen und in unserem Zimmer gab es einen offenen Kamin, in dem wir uns abends ein schönes Feuer machen konnten.
Weil wir dann aber doch die Sonne vermisst haben, sind wir nach einigen Tagen nach Mysore aufgebrochen. Wir hatten einen Nachtbus von  einem Ort am Fuß der Berge aus reserviert und mussten dorthin mit einem normalen Bus fahren.  Der besagte Busbahnhof war riesig und laut von dem ständigen Hupen. Ein penetranter Uringeruch lag in der Luft. Am Rand gab es tausende kleine Shops die alles von Plastikspielzeug über Billigschmuck bis frittierte Snacks verkauft haben. Überall schliefen spindeldürre Menschen auf dem dreckigen Steinboden. Wir mussten vier Stunden auf unseren Nachtbus warten und wurden immer unruhiger, weil niemand uns sagen konnte wo unser Bus abfuhr bzw. auch die Leute in dem Ticketbüro kein Englisch sprachen und unser Ticket nicht erkannten.
Als wir gerade in den falschen Bus eingesteigen wollten, erschien der Mann aus dem Ticketbüro aus Kodaikanal, wo wir das Ticket gekauft hatten. Er war uns mit dem dem Moped drei Stunden im Dunkeln auf den gefährlichen Straßen hinterher gefahren, weil wir aufgrund eines Kommunikationsproblems nur die Quittung, nicht aber die Tickets mitgenommen hatten…

 Mysore ist eine große, aber für indische Verhältnisse relativ entspannte Stadt. In dem alten Bazar werden selbstgemachte Räucherstäbchen, duftende Öle, farbenfrohe Kleidung,  unendlich viele Früchte und riesige Körbe mit Massen von Blumen angeboten. Ich hab noch nie so viele Bananen oder so viele Blumen auf einmal gesehen. Ich habe mir angewöhnt wie die Inderinnen morgens eine Kette aus Jasminblumen zu kaufen und mir in die Haare zu stecken. Ein Inder hat mir erzählt, dass die Inderinnen dies tun, weil der Jasminduft beruhigend wirkt und sie ein schweres Leben haben. Über 90 Prozent der Ehen in Indien sind arrangiert. Die Mädchen werden mit 17 oder 18 Jahren verheiratet, bekommen dann Kinder und müssen unter Aufsicht und Anweisungen der Schwiegermutter für den Haushalt der Familie des Ehemannes sorgen.
Claudius und ich werden auch häufig von neugierigen Indern gefragt, ob wir verheiratet sind. Der Einfachheit halber sagen wir meistens ja. Wenn wir dann auf eine weitere Frage antworten müssen, dass wir keine Kinder haben, werden wir oft mitleidig angeguckt oder auf die Schulter getätschelt J. Dann wollen die Inder meist noch ein Foto.
Abgesehen von solchen netten Begegnungen haben wir leider das Gefühl, dass viele Einheimische in Mysore stark darauf aus sind uns in irgendwelche Hintergassen zu locken bzw. erst vorgeben sich anfreunden zu wollen und später Geld verlangen.

 Ansonsten mit Schulkindern vollgestopfte Rikshwas, schmale Gassen mit niedrigen Häusern, Hühnern und Schafen, angemalte Ziegen und Kühe, eine Moschee, christliche Kirche und Hindutempel innerhalb von 100 Metern,  Menschen die Müllberge mit bloßen Händen in einen Lastwagen laden… viel Verkehr, viele Menschen, viel Essen, viele Farben, viele Gerüche,  viele Läden, viel Leben auf den Straßen.

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