Seitdem die
Beatles in den 60er Jahren einige Wochen meditierend und Lieder schreibend in
einem Ashram in Rishikesh verbracht haben, ist der Ort für seinen spirituellen
Charakter bekannt. Wenn man sieht wie sich der noch unverschmutzte, turkis-klare
Ganges sprudelnd durch die von grünen Bergen umgebene Stadt zieht, kann man
auch gut verstehen, warum gerade dieser Ort sich besonders gut eignen könnte um
zu Ruhe und Besinnung zu finden. Nicht zuletzt deswegen wirkt Rishikesh auch
wie ein Magnet für indische und ausländische Touristen, womit ich zur anderen
Seite der Medaille komme. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Stadt vor
wenigen Jahrzehnten noch Idylle pur war. Aber als wir in Rishikesh angekommen
sind wurde ich ein wenig desillusioniert. Die Stadt ist überfüllt mit
Touristen, Souveniershops, Hotels, die wie Pilze aus der Erde sprießen und
selbst auf der Ostseite des Ganges, die noch bis vor wenigen Jahren
verkehrsfrei war, sorgt der Lärm der hupenden Rikshwas, Jeeps und Mopeds für alles
andere als eine friedliche Atmosphäre. Sitzt man in einem Cafe, kann man die „esoterischen“
Fachsimpeleien kaum überhören. In Rishikesh ist New Age angesagt. An jeder Ecke
werden auf zahlreichen Aushängen die verschiedensten Yoga-, Reiki- und
Meditationsausbildungen, sowie Ajurveda, Kristallheilungen, Astrologie,
Händelesen etc. angepriesen, das Angebot
ist riesig. Einerseits finde auch ich viele dieser Dinge sehr interessant,
andererseits kam ich mir vor wie in einem spirituellen Erlebnispark. Spätestens
wenn man dann sieht wie einige Ashrams in einem Zuge Yoga, Meditation, Rafting,
Bungy Jumping und luxuriöse Zimmer mit Fernseher und Blick auf den Ganges
anbieten, fängt man wirklich an zu zweifeln…
Die ersten
drei Tage habe ich von alledem jedoch wenig mitbekommen. Ich hatte schon
gedacht, dass ich tatsächlich von dem Fluch der Indienreisenden verschont
bleiben würde, habe dann aber doch den Brechdurchfall meines Lebens bekommen und
konnte das Bett/Klo für drei Tage nicht verlassen.
Als ich
wieder bei Kräften war, haben Claudius und ich öfter lange Spaziergänge aus der
Stadt hinaus, flussaufwärts zu einem der verlassenen, weißen Gangesstrände
gemacht. Dort haben wir die Natur genossen und im eiskalten Wasser des heiligen
und vom Bergquarz glitzernden Flusses gebadet während hinterlistige Affen
unsere Bananen geklaut haben.
Um unsere
Reise Richtung Nepal fortzusetzen, mussten wir nach einem Zwischenstop in Delhi
noch einmal eine 15stündige Zugfahrt zu einer Stadt in der Nähe des
Grenzübergangs auf uns nehmen. Nach zwei Stunden fing dann mein Magen wieder an
Spierenzchen zu machen, weshalb ich mich regelmäßig durch unser Abteil, in dem
mindestens viermal so viele Menschen wie eigentlich vorgesehen eingepfercht
waren, zur Toilette durchringen musste. Dementsprechend mitgenommen - und im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert –
war ich als wir endlich Mitten in der Nacht in Gorakphur, dem dreckigsten Loch,
dass ich in Indien zu Gesicht bekommen habe, angekommen sind und uns für ein
paar Stunden in einem der schmuddeligen Hotels niederlassen konnten. Abenteuer,
ja ;)…
Am nächsten
Morgen gings dann weiter zur Grenze und nach einem recht unkomplizierten ein-
und ausstempeln in einem kleinen Bus in nepalesischem Tempo weiter nach
Pokhara.
Und was für
ein schönes Erlebnis unser erster Tag in dieser Stadt in Nepal war! Nicht
Motorenlärm, sondern verschiedenste Vogelgesänge haben uns aus unserem
wohlverdienten Schlaf geweckt. Als wir durch die Straßen geschlendert sind,
herrschte kaum Verkehr und es wurde quasi gar nicht gehupt. Zum Frühstück gab
es echten Kaffee aus den Bergen. Und dann der Anblick des wunderschönen, klaren
Sees. Dahinter in diesiges Blau getünchte Berge. Kein Müll. Keine
aufdringlichen Bettler und Verkäufer. Kein Anstarren.
Dieser
offensichtliche Unterschied bzw. Vergleich soll Indien jedoch auf keinen Fall
in ein schlechtes Licht rücken! Indien ist ein riesiges Land mit einer enormen
und zugleich vielfältigen Bevölkerung. Dass es dort viel Müll, viel Lärm, viel
Verkehr, verschmutztes Wasser und viele Menschen, die in widrigen Verhältnissen
leben müssen gibt, lässt sich nicht bestreiten. Doch wenn man das Land bereist
und gleichzeitig bemüht ist es auch jenseits der Oberfläche zu erkunden und zu verstehen,
sieht man viel mehr als das. Ich hatte den Eindruck, dass Indien ein Land ist,
in dem Vergangenheit und Zukunft aufeinander prallen. Die jahrtausendealte
Tradition, daraus resultierende Spiritualtität, aber auch Konservativität auf
der einen Seite, Fortschritt, moderne Technik und auch Umweltbemühungen auf
der
anderen Seite sind nicht nur faszinierend, sondern einmalig. Indien ist auf dem
guten Weg zu einer der bedeutendsten Weltwirtschafts-mächte zu werden.
Andererseits habe ich Bekanntschaften mit jungen Männern meinen Alters gemacht,
die in einem Wüstendorf aufgewachsen sind, nie eine Schule besucht haben und es
kaum erwarten können eine arrangierte Ehe mit einem Mädchen, das sie nur von
einem Foto kennen, einzugehen. Auf dem Weg zur hochmodernen und klimatisierten
Metro in Delhi begegnet man verdreckten Kleinkindern, die schon mit Nachdruck
bettelnd die Hand ausstrecken, bevor sie überhaupt sprechen können. Man wird in
Indien kaum händchenhaltende Pärchen oder Frauen mit unbedeckten Beinen oder
Schultern begegnen, trotzdem ist es üblich, dass in Zügen Transvestiten durch
die Abteile wandern und laut in die Hände klatschen bis sie von den halb
belustigt und halb verängstigten indischen Männern 10 Rupien in die Hand
gedrückt bekommen – ansonsten fangen sie an sich zu entblößen oder die Männer
zu bekrapschen. Aufdringliches bis aggressives Starren und forsches Nachfragen
hat sich oft als großes Interesse und Freundlichkeit herausgestellt. Indien ist
so anders, so wunderbar und einzigartig. Aber auch wirklich anstrengend. Unsere
Reise durch dieses Land hat uns viel mit auf den Weg gegeben.
Jetzt freuen
wir uns darauf die letzten Wochen in Nepal zu verbringen. Ich werde langsam
wieder gesund, genieße die entspannte Atmosphäre, das gute Essen und die
Freundlichkeit und den Humor der Nepalis. Und ich kann es kaum erwarten den
Himalaya zu entdecken!
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