Dienstag, 26. Februar 2013

Shanti - Shanti und Zerstörung


Don’t worry, be Hampi! Bis vor einem Tag war das der perfekte Slogan für diesen wunderschönen Ort. Hampi ist ein kleines Dorf, gesäumt von einem riesigen Tempelgebiet auf der einen und einem kleinen Fluss auf der anderen Seite. Überquert man den Fluss mit einem kleinen Boot, findet man einen Weg mit Guesthouses, kleinen Shops und Restaurants, umgeben von einer zauberhaften Landschaft – quasi alles was das Backpackerherz begehrt. Überall befinden sich Reis- und Bananenfelder, Kokospalmen und Steinformationen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Die riesigen, runden Steinfelsen liegen kreuz und quer übereinander und bilden eine Art Mondlandschaft direkt hinter den saftig grünen Feldern. Wir haben uns eine kleine Lehmhütte hinter den Reisfeldern, abseits des Weges gemietet und nun eine Woche in diesem Paradies verbracht. 
 Wir haben die Tempel bestaunt und Laxmi, dem Tempelelefanten, beim Baden im Fluss zugeguckt. Wir haben in der Hängematte gelegen und abends den Kröten und Grillen im benachbarten Feld gelauscht oder es uns in einer der kleinen Bars auf einer bunten Matratze gemütlich gemacht und anderen beim Musizieren mit Gitarre, Flöte oder Hang zugehört. Alles in allem war es eine entspannte Woche an einem bezaubernden Ort.



Gestern sind wir zum Sonnenuntergang auf ein paar hohe Felsen geklettert. Die Aussicht war atemberaubend. Von oben konnten wir allerdings auch beobachten, wie immer mehr Polizeiautos vollgeladen mit Polizisten anrollten. Wir dachten zuerst, dass es sich um eine Art Razzia handelt. Als wir später einen der Locals fragten, warum so viele Polizisten vor Ort seien, lachte er mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit und meinte nur: „They come to destroy this place“. Noch an demselben Abend wurden nahezu alle der kleinen Restaurants und Shops und auch einige Guesthouses geräumt. Familien standen mit ihrem wenigen Hab und Gut neben den kleinen Hütten, die noch vor wenigen Stunden ihre Restaurants gewesen waren. Wir haben uns mit einigen Bekannten unterhalten. Keiner wusste wie es weiter gehen soll, wohin und was nun. Heute Morgen sind wir um 7:30 Uhr  von dem Lärm eines Bulldozers geweckt worden, der die benachbarten Lehmhäuser unter Polizeiaufsicht niedergerissen hat. Der Besitzer stand mit Tränen in den Augen am Rand und musste zuschauen, wie seine Existenzgrundlage in den Boden gestampft wurde. Später sind wir die kleine Straße entlang gegangen, die nun an ein Katastrophengebiet erinnert. All die kleinen Läden sind zerstört worden, überall Trümmer und verzweifelte Menschen. 


Bei den Tempelanlagen um Hampi herum handelt es sich um UNESCO Kulturerbe. Einige Wohnhäuser in dem Dorf sind in den letzten Wochen bereits von jetzt auf gleich eingerissen worden, weil sie zu nah an den Tempeln stehen. Die Bewohner können meist keine Entschädigung erwarten. Es wird geredet, dass die Regierung die Tempellandschaft, die zurzeit noch für jeden offen ist, nur für geführte Touren erlauben will. Ein 5-Sterne-Hotel wird bereits in der Gegend gebaut. Hippies und Backpacker mit kleinem Budget sind nicht gern gesehen. Ich weiß nicht inwiefern die Besitzer der kleinen Läden Berechtigungen oder Lizenzen hatten, aber zu sehen, wie sie von einen Tag auf den anderen auf einmal mit nichts dastehen und nichts für sie tun zu können, ist sehr bedrückend.


 Hier ein Link zum weiterlesen: http://www.guardian.co.uk/world/2012/may/27/hampi-india-heritage-temples-eviction



Mittwoch, 20. Februar 2013

Oben in den Westghats


Unsere Reise durch Indien ist wunderschön und faszinierend, aber auch anstrengend und nervenaufreibend. Dass, was wir hier jeden Tag sehen und erleben, lässt sich eigentlich gar nicht in Worte fassen. Was es hier zu lesen gibt ist also leider nur eine schwache und stark verkürzte Zusammenfassung.
Kurze Strecken von z.B. 60 km können mit dem Bus schon mal drei bis vier Stunden dauern. Die Bergstraßen sind sehr schmal, kurvig, ohne Begrenzung von unheimlich tiefen Abhängen gesäumt  und in beide Richtungen befahren. So schlägt das Herz schon mal schneller und es bleibt einem die Luft weg, wenn der Bus in einer Serpentine, gefährlich nah am Abhang, ein anderes Fahrzeug überholt. Aber die indischen Busfahrer scheinen mir schon zu wissen was sie tun. Bisher sind wir auf jeden Fall immer gut angekommen. 
Munnar ist ein kleiner aber trotzdem smoggiger und überlaufener Ort in den Westghats. Obwohl es zuerst so schien, dass wir überhaupt keine annehmbare Unterkunft finden würden, haben wir dann doch Glück gehabt und sind bei einer Familie untergekommen, die in einem kleinen, idyllischen Häuschen mitten in den Teeplantagen um die Stadt herum lebt und dort zwei Zimmer günstig vermietet. In dem anderen Zimmer hat eine Gruppe Israelis gewohnt, mit denen wir uns angefreundet haben. Die haben uns auch von einer Trekkingroute zu einem kleinen Ort in den Bergen erzählt, den man noch nicht einmal auf einer Landkarte findet.
Nachdem wir herausgefunden hatten, dass das Trekking von Kerala nach Tamil Nadu nicht erlaubt ist (in die andere Richtung aber schon), haben wir uns entschlossen zumindest einen Teil der Route einfach auf eigene Faust zurück zu legen. So sind wir morgens früh samt Gepäck mit einem Bus zu der Bergspitze gefahren und von dort aus 15km durch die Berglandschaft abwärts gewandert. Der Weg war ein bisschen holprig und wir haben ihn noch Tage danach in den Beinen gespürt, aber die Aussicht war fantastisch! Von dem klitzekleinen Dorf, in dem wir angekommen sind, wollten wir dann einen Bus zu unserem Zielort nehmen. An jedem lauten von Menschen und Bussen überfüllten Busbahnhof, an dem wir angekommen sind, wurden wir aber nur in einen neuen Bus gesetzt und mussten so insgesamt noch fünf Stunden in vier verschiedenen holprigen Bussen verbringen bis wir fix und fertig von den Strapazen und dem Lärm in Kodaikanal angekommen sind. Dort und in Vattakanal, den von den Israelis empfohlenen Ort, konnten wir uns dann aber wieder ein paar Tage erholen. In Vatta sind wir am ersten Tag mit ein paar anderen zu einer Klippe gelaufen.  Ich bin noch nie an einem vergleichbaren Ort gewesen! Am Ende der Klippe ging es unendlich Tief und so steil bergab, dass man die darunter liegende Felswand nicht einmal sehen konnte. Man konnte hunderte von Kilometern in die Ferne über die Berge und das dahinter liegende Tal und von oben auf die Wolken blicken. Im nächsten Moment zogen die Wolken nach oben an uns vorbei, sodass wir in ein deckendes Weiß eingehüllt waren und es so aussah, als befände sich der Boden unter unseren Füßen mitten im Nichts.
Auf 2300 Metern war es auch tatsächlich recht kühl, aber für umgerechnet 1,50 Euro konnten wir uns warme Wollpullis kaufen und in unserem Zimmer gab es einen offenen Kamin, in dem wir uns abends ein schönes Feuer machen konnten.
Weil wir dann aber doch die Sonne vermisst haben, sind wir nach einigen Tagen nach Mysore aufgebrochen. Wir hatten einen Nachtbus von  einem Ort am Fuß der Berge aus reserviert und mussten dorthin mit einem normalen Bus fahren.  Der besagte Busbahnhof war riesig und laut von dem ständigen Hupen. Ein penetranter Uringeruch lag in der Luft. Am Rand gab es tausende kleine Shops die alles von Plastikspielzeug über Billigschmuck bis frittierte Snacks verkauft haben. Überall schliefen spindeldürre Menschen auf dem dreckigen Steinboden. Wir mussten vier Stunden auf unseren Nachtbus warten und wurden immer unruhiger, weil niemand uns sagen konnte wo unser Bus abfuhr bzw. auch die Leute in dem Ticketbüro kein Englisch sprachen und unser Ticket nicht erkannten.
Als wir gerade in den falschen Bus eingesteigen wollten, erschien der Mann aus dem Ticketbüro aus Kodaikanal, wo wir das Ticket gekauft hatten. Er war uns mit dem dem Moped drei Stunden im Dunkeln auf den gefährlichen Straßen hinterher gefahren, weil wir aufgrund eines Kommunikationsproblems nur die Quittung, nicht aber die Tickets mitgenommen hatten…

 Mysore ist eine große, aber für indische Verhältnisse relativ entspannte Stadt. In dem alten Bazar werden selbstgemachte Räucherstäbchen, duftende Öle, farbenfrohe Kleidung,  unendlich viele Früchte und riesige Körbe mit Massen von Blumen angeboten. Ich hab noch nie so viele Bananen oder so viele Blumen auf einmal gesehen. Ich habe mir angewöhnt wie die Inderinnen morgens eine Kette aus Jasminblumen zu kaufen und mir in die Haare zu stecken. Ein Inder hat mir erzählt, dass die Inderinnen dies tun, weil der Jasminduft beruhigend wirkt und sie ein schweres Leben haben. Über 90 Prozent der Ehen in Indien sind arrangiert. Die Mädchen werden mit 17 oder 18 Jahren verheiratet, bekommen dann Kinder und müssen unter Aufsicht und Anweisungen der Schwiegermutter für den Haushalt der Familie des Ehemannes sorgen.
Claudius und ich werden auch häufig von neugierigen Indern gefragt, ob wir verheiratet sind. Der Einfachheit halber sagen wir meistens ja. Wenn wir dann auf eine weitere Frage antworten müssen, dass wir keine Kinder haben, werden wir oft mitleidig angeguckt oder auf die Schulter getätschelt J. Dann wollen die Inder meist noch ein Foto.
Abgesehen von solchen netten Begegnungen haben wir leider das Gefühl, dass viele Einheimische in Mysore stark darauf aus sind uns in irgendwelche Hintergassen zu locken bzw. erst vorgeben sich anfreunden zu wollen und später Geld verlangen.

 Ansonsten mit Schulkindern vollgestopfte Rikshwas, schmale Gassen mit niedrigen Häusern, Hühnern und Schafen, angemalte Ziegen und Kühe, eine Moschee, christliche Kirche und Hindutempel innerhalb von 100 Metern,  Menschen die Müllberge mit bloßen Händen in einen Lastwagen laden… viel Verkehr, viele Menschen, viel Essen, viele Farben, viele Gerüche,  viele Läden, viel Leben auf den Straßen.

Freitag, 8. Februar 2013

Strand, Gewürze und Fledermäuse

Unsere Haut ist braun, unsere Beine zerkratzt und mit Mosquitostichen übersäht, wir haben uns an die täglichen Stromausfälle und daran, dass morgens und abends ein scharfer Rauch in der Luft liegt, weil der Müll verbrannt wird, gewöhnt.  Wir haben gelernt, dass es eigentlich so etwas wie ein indisches Curry gar nicht gibt. Curry leitet sich von dem tamilischen Wort für Soße (Kari) ab und ist ein Begriff unter dem die Briten die große Vielzahl an Masala (dt. Gewürz) Gerichten zusammengefasst haben. Wir stören uns auch nicht mehr daran, dass die Teller, von denen wir diese Gerichte an Straßenständen essen - mit der Hand natürlich- , nur kurz unter aus einer Tonne geschöpftem Wasser,  abgespült werden.

In den letzten Wochen haben wir uns quasi von Strand zu Strand Richtung Süden gehangelt. In Südgoa  haben wir in hübschen Bambushütten unter Kokospalmen mit Veranda mit Meerblick gewohnt. Wir haben das Meer genossen, waren mit  einem Kayak paddeln und sind mit dem Moped ins Blaue gefahren und dabei auf Tempel, wunderschöne tropische Landschaften und wirklich verlassene Strände gestoßen. Nach einer langen, aber entspannten Fahrt auf den schmalen Straßen eines Nationalparks sind wir mit einem englisch-portugiesischem Pärchen, das wir unterwegs kennen gelernt haben, ca. 45 Minuten durch den Jungle gekrakselt, um in dem kalten Wasser des Beckens eines Wasserfalls zu baden.
Je weiter es Richtung Süden ging, desto 
entspannter, ruhiger und einfacher wurde es an den Stränden. Unser letzter Halt war Om-Beach bei Gokarna, einer kleinen Pilgerstadt südlich von Goa. Wir hatten gehört, dass es dort so sein sollte wie in Goa vor 10-20 Jahren. Ob dies stimmt, kann ich nicht beurteilen, aber Om-Beach war ein Träumchen!  Ein hübscher etwas abgelegener Strand mit wenigen einfachen Bars, hinter denen sich zwischen tropischen Gewächsen einfachste Hütten befinden. Unsere hatte z.B. keinen Boden, sondern stand einfach auf dem Sand. Sie bestand aus ein Holzbrett mit vier Beinen, bedeckt mit einer dünnen, steinharten Matratze (Bett) und einem Dach aus Palmenblättern. So einfach wie unser Schlafplatz ist auch das Leben am Om-Beach. Man lernt schnell Gleichgesinnte kennen, verbringt die Tage entspannt in einer Hängematte, abends werden  Jamsessions gestartet  oder ein Lagerfeuer am Strand gemacht. Beim Einschlafen hört man nur das Rauschen der Wellen und das Zirpen der Grillen.

An einem Tag haben wir uns aus der Gemütlichkeit, in die einen dieser Strand versetzt, gerissen und uns auf den Weg zu dem Dorf Gokarna gemacht. Leider haben wir dabei nicht den richtigen Weg gefunden, sondern sind einem schmalen Pfad entlang der Klippen gefolgt. Weil wir immer dachten, bald da zu sein, haben wir uns dabei durchs Gebüsch geschlagen und sind an Felswänden entlang geklettert. So hatten wir anstatt 20 Minuten gemütlichen Fußweg ca. 2 Stunden Abenteuertour  hinter uns als wir überhitzt und fast verdurstet – und Claudius mit komplett zerrissener Hose -   in Gokarna angekommen sind. Für Claudius war der Ausflug aber trotzdem ein Erfolg, weil er sich eine Trommel erstanden hat, auf der er jetzt schon mal fürs Tablaspielen üben kann... und dies auch seit dem ständig tut.
Vor ein paar Tagen haben wir uns mit dem Entschluss uns Indien jetzt auch jenseits der Strände anzusehen losgerissen – wir hätten ohne weiteres noch Wochen glücklich an Om-beach verbringen können-  und haben einen Nachtzug nach Cochin in Kerala genommen. Die schmuddeligen Pritschen im Sleeper waren verdammt hart, das Abteil voll und die Nacht lang, aber dafür im Vergleich zum Nachtbus mit weniger Todesängsten verbunden, da Züge ja bekanntlich auf Gleisen und nicht im halsbrecherischen Straßenverkehr fahren J.  
Völlig übernächtigt in Cochin angekommen haben wir zum ersten Mal wieder Wolken am Himmel gesehen. Darunter eine kaum erträgliche schwüle Hitze. Abends hat es dann auch für uns das erste Mal geregnet und gewittert, was uns aber wie eine riesige Erleichterung vorkam.

Wir sind durch die Straßen und Gassen gestreunt, haben den Gestank offener, am Bordstein verlaufender Abwasserleitungen eingeatmet, Fischer mit riesigen chinesischen Netzkonstruktionen beobachtet, sind mit der Fähre gefahren und waren stolz, weil wir die lokalen und billigen Restaurants abseits des Touriviertels gefunden haben. Abends konnten wir beobachten wie ein riesiger Schwarm Fledermäuse über unseren Köpfen über einen genauso riesigen Schwarm Mosquitos hergefallen ist.

Heute haben wir einen Bootsausflug in die Backwaters gemacht und dabei in kleinen Dörfchen gesehen, wie man aus Kokosnüssen Seile macht und wie die verschiedenen Gewürze angebaut werden. Ich wusste garnicht, dass Zimt Baumrinde ist! Habe ihn heute ganz frische probiert, genau wie Pfeffer, Lorbeer, Nelke und Muskatnuss und –blüte.


Ich könnte noch so viel schreiben, aber jetzt ists mal genug. Morgen werden wir wahrscheinlich der Hitze entfliehen und in die Westghats zu unserer nächsten Station, der Hillstation Munnar, fahren.