Freitag, 22. März 2013

Wenn Götter tanzen...

Im Herzen Rajasthans, umgeben von Wüste und trockenen Hügeln liegt der kleine Ort Pushkar. Die Strahlen der Wüstensonne spiegeln sich auf der klaren Oberfläche des heiligen Sees in der Mitte des Städtchens. Er ist gesäumt von Ghats an denen Pilger Bäder nehmen und Taubenschwärme wie auf Kommando Richtung Himmel fliegen. Jeden Morgen und Abend schallen von hier aus die Pujas (Gebete) mit Trommeln und Gesängen durch den Ort. Hier sind wir nun seit einer Woche.

Nach Varanasi haben wir uns Richtung Westen aufgemacht. Unser erster Halt war Khajuraho. Dort konnten wir alte Kamasutratempel bestaunen, die oft als die schönsten Tempel Indiens bezeichnet werden. Die feinen und sehr sinnlichen Verzierungen haben Claudius dann leider so sehr mitgenommen, dass er anschließend 3 Tage lang mit hohem Fieber und Brechdurchfall im Zimmer lag. Vorher haben wir es allerdings noch geschafft auf die indische Kirmes zu gehen und sogar eine Fahrt auf dem Breakdance – das so aussah als sei es schon gut 30 Jahre alt – riskiert. Aufgrund der vielen aufdringlichen Schlepper und Shopbesitzer haben wir es aber keinen Tag länger in der kleinen Stadt ausgehalten. Sobald es Claudi besser ging, haben wir uns also in den nächsten Bus…und den nächsten…und den nächsten…und den nächsten gequetscht, bis wir nach 15 Stunden knapp 600 km weiter in Bundi waren.
Die kleine Stadt ist genauso, wie man sich Rajasthan vorstellt. Alte blaue und in anderen pastellfarben gestrichene Häuser. Ein riesiges Fort mit Palast auf dem angrenzenden Berg. Mopeds, die mit zig kupfernen Milchkrügen beladen sind. Müllfressende Ziegen und Wildschweine am Straßenrand. Wir haben in einem wunderschönen Haveli, einem weitläufigen, alten Haus mit traditionellen Wandbemalungen und Innenhof gewohnt und kamen uns fast vor wie in 1001 Nacht. Eines meiner Highlights war, als eine Frau uns zu sich auf einen Chai eingeladen hat. Als wir in ihrem Haus saßen – einem kleinen Zimmer für die ganze Familie – hat sie ununterbrochen laut und langsam in Hindi auf mich eingesprochen und wollte nicht wahrhaben, dass ich sie einfach nicht verstehe. Draußen vor der Tür hat sich eine Traube von Kindern und auch ein paar Erwachsenen gebildet, die neugierig und kichernd herein geguckt haben. Ich muss wirklich Hindi lernen! In ein paar Tagen findet hier das Holi-Festival statt. In diesem Rahmen wurde hier in Pushkar bereits vor ein paar Tagen eine Straßenkreuzung abgesperrt und mit Teppich ausgelegt. An einer Seite wurde eine bunt verzierte Bühne errichtet. Etwas Vergleichbares wie das folgende Spektakel habe ich noch nie gesehen. Ein Schrein wurde mit Trommeln und Feuerwerk auf die Bühne geleitet. Anschließend gabs Livemusik von einer Band, die aus einem Keyboard und 5 verschiedenen Trommeln bestand. Der Platz hat sich so sehr gefüllt, dass am Ende bestimmt 10 Menschen auf einem Quadratmeter auf dem Boden saßen. Aus allen Fenstern und von den Dächern haben die Zuschauer gejubelt als die Götter auf die Bühne kamen. Der Affengott Hanuman, der Bananen in die Menge geworfen hat, Shiva mit echter Kobra, die hübsche Pavarti und die tötliche Kali haben ihre Geschichten zu einer Art traditionellem Drum&Base getanzt. Die Kostüme waren so bunt, glitzernd, pompös und die Schminke so farbenfroh und aufwendig, dass die Tänzer und Schauspieler tatsächlich übermenschlich aussahen. Kiloweise frische Blüten wurden wie Konfetti in die Menge geschmissen, bis alle Köpfe und die Bühne bedeckt waren. Ich glaube die ganze Stadt war zu diesem Konzert auf der kleinen Kreuzung versammelt, die Mädchen mit Schleifen im Haar und die Frauen in ihren feinsten Sarees. Es war ein echtes Event. Bunt, farbenfroh, ausgelassen und gleichzeitig spirituell. Einfach göttlich!

Samstag, 9. März 2013

Kumbh Mela und die Heilige Stadt


Kumbh Mela ist das größte religiöse Treffen weltweit. Die Massenbäder finden alle 12 Jahre an verschiedenen Orten in Nordindien statt. Letztes Mal nahmen über 70 Millionen Hindus an dem Festival teil, womit es zur größten Menschenzusammenkunft aller Zeiten wurde. In diesen Wochen ist es wieder soweit. 
Grund genug die lange und beschwerliche Reise in den Norden anzutreten. Von Hampi sind wir in einem Nachtbus nach Hyderabad gefahren. Da dort zwei Tage vorher ein Bombenanschlag war, haben wir uns direkt in die zweite Klasse des nächsten Zugs nach Nagpur gequetscht. Da die Sitze und der Boden besetzt waren, haben wir die zehn folgenden Stunden oben auf den Gepäckablagen gehockt. Nach einer Nacht in einem überteuerten und schäbigen Hotelzimmer in den dreckigen Hintergassen von Nagpur, wo es außer zig Motorradgaragen und stark befahrenen Straßen nicht viel zu sehen gibt, gings für 17 Stunden in dem nächsten Bus nach Allahabad. Irgendwo auf diesem Weg, während dieser Stunden in den Bussen und Zügen, habe ich angefangen Indien und die Menschen hier wirklich zu lieben.
Wir haben – nicht zuletzt aufgrund der körperlichen Nähe, zu der einen diese Art zu reisen zwingt - viele nette Bekanntschaften gemacht. Dass wir nicht die gleiche Sprache sprechen, hat die wenigsten davon abgehalten sich unbeirrt und ausgiebig auf Hindi oder einer der anderen Landessprachen mit uns zu unterhalten J
Am Sangam in Allahabad, wo Ganges und Yamuna sich kreuzen,  sind kilometerweit Zelte, kleine Geschäfte mit allem Nötigen und kleine Restaurants aufgebaut worden. Millionen von Menschen haben dort in den letzten Wochen gelebt um an diesem unvorstellbar riesigen, spirituellen Festival teilzunehmen. Obwohl es eine religiöse Angelegenheit ist, herrscht überall eine lockere, freudige Atmosphäre. Beim spirituellen Bad im Ganges wurde viel gesungen, geplanscht und gespielt. Der Weg zum Ufer führte vorbei an einer Schlange leprakranker Menschen, meist auf dreckigen Holzkarren mit Rädern.
Der nächste Halt war Varanasi, die heiligste Stadt Indiens! Millionen von Pilgern füllen auch hier das Labyrinth schmaler Gassen in der Altstadt. Die Wege sind gesäumt von hohen, alten Steinhäusern. In viele sind Nischen eingelassen, sodass es in den schattigen Gassen an jeder Ecke brutzelt und brodelt. Chai und Lassis werden in Tonkrügen serviert, was als besonders rein gilt, da sie nach einmaligem Benutzen weggeschmissen werden – auf den Boden. Zwischen den Menschen tummeln sich Hunde, Katzen, Kühe, Wasserbüffel und Ziegen. Dementsprechend ist auch der Boden ziemlich zugeschissen, sodass man, wenn man in eine große Menschenmenge gerät und sich nur noch eng aneinander gedrückt durch die Gassen bewegen kann, schnell mal in einen Kuhfladen, Müllhaufen oder in eine Betel-Spuck-Pfütze treten kann. 
Unser Guesthouse ist direkt hinter dem Manikarnika Ghat. Dieses Ghat ist besonders beliebt zur Verbrennung der Toten. 24 Stunden am Tag brennen hier die Feuer. Die Verstorbenen werden in Tücher gewickelt, auf Bambusstangen aufgebahrt und schnellen Schritts zum Ghat eskortiert. Dort kann man beobachten wie genau die richtige Menge Holz berechnet und um dessen Preis gefeilscht wird.  
Von der Dachterrasse aus können wir beobachten, wie die Affen von Dach zu Dach springen, Tauben dressiert werden und kleine Jungs am Nachmittag Papierdrachen von den Flachdächern aus steigen lassen.
Am frühen Morgen, wenn die Sonne aufgeht, schallt der Gesang vom Morgengebet am Ganges durch die sonst so lärmende Stadt und die ersten Menschen beginnen im Fluss ein Bad zu nehmen und dabei in einem ihre Kleidung zu waschen.
Wegen des Kumbh Mela sind viele Sadhus und andere heilige Babas angereist. Sie wohnen in einfachen aus Plastikplanen errichteten Zelten entlang der Ghats. Die Zelte sind mit bunten Decken ausgelegt und haben eine Feuerstelle. Die Sadhus sind nackte, mit Puder eingeriebene Asketen mit langen Dreadlocks. Sie verehren Shiva und verbringen allem Anschein nach den größten Teil ihrer Zeit damit Leute zu segnen und mit Chillums Charas zu rauchen. Dabei sind sie sehr gastfreundlich.
Claudius hat sich seinen Traum verwirklicht und sich eine Tabla gekauft und jeden Tag einige Stunden bei seinem Lehrer verbracht. Ich bin währenddessen durch die Stadt gestreunt, habe Joga gemacht – bei dem allerbesten Meister - oder bei den Babas am Ganges gechillt.